[Murnauer Tagblatt, 2./3. März]
Beeindruckende Vielfalt auf 60 Quadratmetern
VON BARBARA JUNGWIRT
Murnau – Bunt, freundlich und hell empfängt der Murnauer Weltladen unter den Arkaden an der Bahnhofstraße, der heuer 20. Geburtstag feiert, seine Kunden. Die verhelfen durch bewussten Kauf von hochwertigen Lebensmitteln oder extravagantem Kunsthandwerk aus aller Welt Kleinbauern und Produzenten zu besseren Lebensbedingungen.
Der stundenweise Verkauf fair gehandelter Waren startet 1997 in Bad Kohlgrub in den Räumen des von der evangelischen Kirche gemieteten Regenbogenladens. Als dieser Gemeinderaum 2003 aufgelöst wird, müssen eine neue Verkaufsstätte und eine neue Form der Trägerschaft her. Fündig wird die Initiative in der Murnauer Bahnhofstraße 8. Zehn Mitstreiter gründen am 16. Dezember 2003 den Verein Fair Handeln Murnau, der ab sofort den Weltladen trägt und aktuell 70 Mitglieder zählt. Im Januar 2004 öffnet der Murnauer Weltladen, derzeit engagieren sich 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv ehrenamtlich, kümmern sich um Einkauf, Verkauf, Dekoration, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung.
Barbara König, eine der Wegbereiterinnen des fairen Handels in Murnau, war 16 Jahre lang Vorstandsmitglied des Vereins Fair Handeln, legte erst 2020 den Vorsitz in jüngere Hände. Sie erinnert sich stolz wie wehmütig: „Es hat damals zum Glück wirtschaftlich funktioniert, wir fungierten plötzlich als Geschäftsfrauen, obwohl wir alle andere Berufe hatten. Leider haben inzwischen schon sehr viele Mitglieder aus Alters- und Gesundheitsgründen ihr Amt niedergelegt oder sind gestorben.“ Es gebe aber auch Leute wie Helga Paehlke – sie ist von Anfang an dabei und mache mit ihren 82 Jahren immer noch jede Woche im Laden Dienst.
„140 000 Euro konnten wir in den vergangenen 19 Jahren aus erwirtschafteten Überschüssen spenden“, bilanziert Christa Mayr-Brandl, seit 2020 Vorsitzende. Zusammen mit Kirsten Bombe-Sponar (Zweite Vorsitzende), Helmut Lechner (Kassier) sowie einigen Beisitzern stellt sie den Vorstand des Vereins. „Mit den Spenden unterstützen wir Fair Handelsgenossenschaften durch Anteile und ganz gezielt uns bekannte Projekte von Leuten vor Ort, etwa in Uganda und Haiti, oder helfen spontan bei akuten Umweltkatastrophen.“
Beide, König und Mayr-Brandl, unterstreichen: Dieses Ehrenamt kostet viel Energie, macht aber auch großen Spaß und gibt sehr viel zurück. Man hoffe auf neue, gern jüngere Mitstreiter, schließlich sollen wochentags jeweils zwei Vier-Stunden-Schichten im 2018 umfassend renovierten Laden besetzt sein. Der hat mittlerweile durchgehend von 10 bis 18 Uhr (samstags von 9.30 bis 13 Uhr) geöffnet.
„Wir bieten neben Bewährtem laufend neue, trendige Waren an und gestalten regelmäßig ansprechende Schaufenster, um attraktiv zu bleiben, was gerade in der 1B-Lage der Bahnhofstraße wichtig ist – mittlerweile haben wir 43 verschiedene Lieferanten“, erklärt Mayr-Brandl. Auf 60 Quadratmetern Verkaufsfläche lockt eine beeindruckende Vielfalt an Lebensmitteln, Kosmetik und Schmuck, Glas und Keramik, Gefilztem, Ledertaschen und Körben, Accessoires und Papeterie. Als Fundgrube dient der Weltladen für nachhaltige Produkte wie Hängematten aus Fallschirmseide oder Rucksäcke aus recyceltem Autoschrott und tolle Geschenkideen wie die beliebten Hamamtücher.
Zum 20. Geburtstag des Weltladens hat sich das Team viele spannende Aktionen und Veranstaltungen ausgedacht. So wechselt am 28. März Murnaus Rathauschef Rolf Beuting (ÖDP/Bürgerforum) bereitwillig die Seiten und stellt sich vormittags als Verkäufer in den Laden – vielleicht finden sich noch Nachahmer im Gemeinderat.
[Murnauer Tagblatt, 5. April]
Beuting an der Kasse, Jones-Gilch am Regal
Gemeinderäte engagieren sich für den Fairen Handel - Aktion zum 20. Geburtstag des Weltladens
VON BARBARA JUNGWIRT
Murnau- Zum 20-jährigen Bestehen des Murnauer Weltladens an der Bahnhofstraße (wir berichteten) sind Mitglieder des Gemeinderats eingeladen, dort einige Stunden mitzuhelfen, um das Konzept des Faieren Handels besser kennenzulernen und dessen Bekanntheit zu steigern.
Gemeindederätin Veronika Jones-Gilch (Bündnis 90/Die Grünen) hospitiert bewusst am Weltfrauentag am 8. März als "Praktikantin", gibt sich beeindruckt vom Warenangebot und dem Engagement der ehrenamtlichen Helfer - bezeichnenderweise aktuell 21 Frauen und ein Mann. Besonders interessiert ist die Kommunalpolitikerin an Projekten, die Frauenrechte stärken.
In Moldawien angebauter Safran etwa soll verhindern, dass Mütter zum Arbeiten ins Ausland gehen und ihre Kinder zurücklassen müssen. Die Produktion von Solarlaternen, sogenannten "Sonnengläsern", schafft wertvolle Arbeitsplätze in benachteiligten Gebieten Südafrikas und bietet besonders jungen Menschen Perspektiven zu fairen Bedingungen.
Oder feine, im Laden angebotene italienische Spezialitäten, die kontrolliert biologisch von Sozialkooperativen auf befreitem Mafia-Land angebaut werden - sie zeigen jungen Leuten auf Siziliien und in Apulien legale Arbeitsperspektiven auf.
Interessiert hakt die Gemeinderätin bei Mitarbeiterin Evi Schilberger nach, nimmt sich fest vor, ab sofort öfter im Laden in der Bahnhofstraße eizukaufen, verspricht zudem, verstärkt Werbung zu machen. "Es ist sehr wichtig, das Bewusstsein für Fairen Handel zu wecken. Manchmal kommen Grundschullehrkräfte mit Kindern in den Laden, und genau die machen als Jugendliche einige Jahre später hier ihr Praktikum", bestätigt Schilberger. "Ich verschenke gerne Essbares, und wenn man weiß, wo die Produkte herkommen, schätzt man sie gleich noch viel mehr", betont Jones-Gilch und deckt sich eifrig ein, ehe sie tatkräftig beim Verräumen neu eingetroffener Ware mithilft.
Genauso wie die Gemeinderätin will auch Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP/ Bürgerforum) nach seinem Besuch kurz vor Ostern den Murnauer Weltladen an sich sowie das Bewusstsein für den Fairen Handel wieder verstärkt in den Fokus rücken. Er ist sehr angetan vom „wunderschönen Laden“, bei dem die „weibliche Hand unübersehbar“sei.
Natürlich komme er nicht mit leeren Händen – mit diesen Worten übergibt der Rathauschef Christa Mayr-Brandl, seit 2020 Erste Vorsitzende des Vereins Fair Handeln, einen Geburtstagsscheck. Zwar sei er von Anfang an Mitglied im Verein und das Rathaus beziehe fair gehandelten Kaffee vom Weltladen, doch er selbst sei eher selten hier, räumt Beuting ein. Auch er interessiert sich sehr für die Lieferanten, die unterstützten Projekte und klemmt sich begeistert hinter die neue Scannerkasse.„Ich bin ja in einer Einzelhandelsfamilie großgeworden und könnte mir schon vorstellen, im Ruhestand ehrenamtlich in einem gemeinnützigen Laden mitzuhelfen“, sagt der Bürgermeister – und probiert das Kassen-Procedere sofort mit Espressobohnen für den Eigenbedarf aus.
Ebenso wie Jones-Gilch stellt Beuting überrascht fest, dass Preise für bestimmte Produkte im Laden zum Teil nicht höher oder sogar niedriger sind als im Supermarkt. „In Zukunft könnten doch Geschenkkörbe für Jubilare mit Produkten aus unserem Laden bestückt werden“, dieser Vorschlag von Mayr-Brandl findet vielleicht den Weg ins Murnauer Rathaus. Umgekehrt führt möglicherweise im Lauf des Jahres noch mehr Mitglieder des Marktgemeinderats ihr Weg in den Murnauer Weltladen – Wolfgang Köglmayr von der Gruppierung Mehr Bewegen etwa hat sich schon angekündigt.